abends in
Mumbai
Was für ein schrecklich emotionaler Abschied. Nicht nur ich
war in Tränen aufgelöst und sah vollkommen aufgedunsen aus, auch Hannah musste
weinen.
„Unvorsichtigerweise“, aber natürlich auch von uns beabsichtigt,
haben wir heute im Blue Moon bei unseren Jungs gefrühstückt. Ich kann nicht
sagen, wie das Frühstück war. Hatte keinen Appetit ;( und konnte vor Kloß im
Hals kaum schlucken.
Die Verabschiedung an sich war dann wirklich schlimm. Dicke
Umarmungen, viele Gebete und Segnungen, Versprechungen wie „we will pray for
you“ und viele Wünsche für uns. „Always good life, always love“. Ist es da ein
Wunder, dass wir weinen mussten? Ich finde nicht …
Die Fahrt zum Flughafen nach Trivandrum war äußerst
hektisch. Wir hatten uns über’s Keeratheram ein Taxi bestellt. Der Fahrer war
irgendwie der Bruder von dem Schwager der Schwester der Putzfrau und musste uns
wohl beweisen, dass er ebenso fix wie seine Verwandtschaft ist. Auf jeden Fall
war die Fahrt genau wie nach Wayanad hektisch, links überholen, hetzig fast die
Kühe überfahren, Gehupe and so on.
Am Flughafen war wenig los. Da wir ja nun so gerast waren,
dachte ich eigentlich, wir hätten eine Menge Zeit bis zum Abflug. Denkste!
Wir checkten ein und gingen zur Sicherheitskontrolle. Als
Handgepäck hatten wir nur unseren kleinen schwarzen Rucksack dabei. Dieser war
allerdings gefüllt mit unserer kompletten Schmutzwäsche, die wir in Mumbai
waschen lassen wollten.
Rucksack aufs Band gelegt, ich wollte wie üblich durch die
Sicherheitskontrolle gehen, wurde aber ziemlich vehement aufgehalten. „You stop!“ Der Rucksack
wurde mir mit einem noch barscheren „Lighter!“ zurück gegeben. Lighter? Wir
hatten den Rucksack 2 Stunden vorher gepackt und es war definitiv nur
Schmutzwäsche drin? Ich versuchte also zu erklären, dass da kein Feuerzeug drin
ist. Es gab allerdings kein Pardon. „Lighter! Find!“ Ich glaube so barsch und hart bin
ich in Indien noch nie angegangen worden. Und das an meinem Geburtstag! Zum
Glück hatte ich morgens schon so viel geweint, sonst wäre ich wohl spätestens
da in Tränen ausgebrochen :).
„Lighter! Find!“ sind 2 Worte, die nicht allzu schwer zu verstehen sind,
also blieb uns nichts anderes übrig, als uns durch die Schmutzwäsche zu fühlen
und das angebliche Feuerzeug zu finden. Neben uns immer die Sicherheitstante,
die uns keinen Moment aus den Augen ließ, dafür aber immer mehr ihre Nase
rümpfte …
Ich gab ihr den Rucksack irgendwann zurück, meinte noch
einmal, dass wir kein Feuerzeug darin haben und auch keines finden können und
das es sich dabei einfach nur einem Irrtum handelt musste. Vielleicht hatte
sich irgendetwas im Rucksack verheddert?
Ziemlich genervt und schon sehr sicher, dass sich sehr wohl
ein Feuerzeug im Rucksack befindet, schmiss sie den Rucksack wieder auf’s Band,
verzog das Gesicht, während das Teil durchleutet wurde, riss ihn wieder vom
Band, warf ihn uns mehr oder weniger wieder zu und schimpfte erneut: „Lighter!
Find!“
Ich war sprachlos. Hannah und ich guckten uns kurz an und
fingen dann an, sämtliche Dreckwäsche aus dem Rucksack zu plünnen. War uns
ehrlich gesagt sehr unangehm … ich meine, wer will denn schon seine dreckigen
Unterhosen vor indischen (oder sonstigen) Sicherheitsleuten auspacken? Will man
ja nicht mal vor Leuten, die man gut kennt …
Unsere freundliche Sicherheitsbeauftragte rümpfte inzwischen
nicht mehr nur die Nase, sondern rang ob des Gestanks derweil nach Atem. Alles
ausgepackt, den leeren Rucksack einmal geschüttelt, ob noch etwas herausfällt,
den leeren Rucksack der Dame gezeigt, alles wieder eingepackt. Inzwischen hatten
wir gar nicht mehr so viel Zeit. Zum Glück waren wir auf weiter Flur die
einzigen Leute, wenn sich hinter mir noch eine Schlange gebildet hätte, während
wir den Kram ein- und auspackten, hätte ich mich wahrscheinlich in Grund und
Boden geschämt.
Rucksack wieder auf das Sicherheitsband, ich schon auf dem
Weg zur „Schranke“ als – man glaubt es kaum – erneut ein „Stopp! Lighter! Find“
kam. Ich brach fast zusammen, diesmal aber nicht wie sonst in diesem schönen
Land vor Lachen, sondern vor Ärger und Fassungslosigkeit. Hannah wusste auch
nichts mehr zu sagen, ich sah ihr aber an, dass sie eher ein wenig pikiert war,
dass ich hoffentlich nicht gleich die Fassung verlieren und anfangen zu meckern
würde.
„Ich lass den Rucksack einfach hier! Was sollen wir denn machen?
Können wir irgendwo 2 Plastiktüten auftreiben? Dann stinken wir zwar das
Flugzeug voll, aber wenn das so gewollt ist?“
Wie durch ein Wunder klärte sich dann aber schlussendlich
doch alles auf. Der Kollege dieser akuraten Frau erbarmte sich schlussendlich
und warf auch noch mal einen Blick auf das „Röntgenbild“.
Dann zog er mich herüber und meinte „See! Lighter!“ und zeige mir eine Ausbuchtung im Rucksack. Ich öffnete den Rucksack erneut, plünnte wieder in den Klamotten rum und meinte „No lighter!“, inzwischen der Verzweiflung nahe. Der junge Mann griff äußerst mutig ebenfalls in die Dreckwäsche und was fand er? Eine kleine „Geheimtasche“, die an der Innenrückseite des Rucksacks angebracht war. Keine Ahnung, wer dort jemals ein Feuerzeug reingesteckt hat, ich war es jedenfalls nicht! Bis heute Mittag wusste ich nicht einmal, dass mein 7,00 Euro uralter Tchibo-Rucksack eine Geheimtasche hat!!
Dann zog er mich herüber und meinte „See! Lighter!“ und zeige mir eine Ausbuchtung im Rucksack. Ich öffnete den Rucksack erneut, plünnte wieder in den Klamotten rum und meinte „No lighter!“, inzwischen der Verzweiflung nahe. Der junge Mann griff äußerst mutig ebenfalls in die Dreckwäsche und was fand er? Eine kleine „Geheimtasche“, die an der Innenrückseite des Rucksacks angebracht war. Keine Ahnung, wer dort jemals ein Feuerzeug reingesteckt hat, ich war es jedenfalls nicht! Bis heute Mittag wusste ich nicht einmal, dass mein 7,00 Euro uralter Tchibo-Rucksack eine Geheimtasche hat!!
Nach dieser Prozedur war ich restlos geschafft. Hannah
ebenso. Warten mussten wir nicht lange, denn inzwischen war der Flug kurz vor
dem Aufruf.
Und was entdeckten meine Augen dort im Boardingbereich? Eine
Raucherkabine! Nicht einmal getrennt nach Männlein und Weiblein! Ein Feuerzeug
hatte ich ja nun nicht mehr (mein anderes hatte ich gleich im Guesthouse
gelassen), aber vielleicht würde mir ja jemand Feuer leihen können? Jemand, der
sein Lighter vielleicht in der Hosentasche transportiert hatte und nicht
großartig kontrolliert worden war? Möglich wäre es ja. Ich machte mich also auf
den Weg in die Kabine. Wie fast alles in Indien war diese restlos überfüllt,
sowohl mit Männern als auch mit Frauen, wie ich verwundert feststellte. So
viele Frauen habe ich in Indien nämlich nicht rauchen sehen. Die Luft war zum
Schneiden und gerade als ich fragen wollte, ob mir irgendjemand Feuer leihen
könnte, schob mich ein Inder zu einer Steckdose, zeigte auf meine Zigarette und
bedeutete mir, dass das wohl so etwas wie ein Zigarettenanzünder sei. Ich muss
geguckt haben wie ein Auto. Er dachte wohl, ich verstehe ihn nicht, schob einen
anderen Typen, der sich gerade auch noch in die Kabine quetschte nach vorne und
sagte ihm wohl, dass er sich eine Zigarette anzünden soll, weil die blöde
Touristin das nicht versteht.
Und – der Mann beugt sich nach vorne, hält seine Kippe an diese „Steckdose“, bei der schon mehr oder weniger die Kabel raushingen, und zündet sich ne Fluppe an.
Und – der Mann beugt sich nach vorne, hält seine Kippe an diese „Steckdose“, bei der schon mehr oder weniger die Kabel raushingen, und zündet sich ne Fluppe an.
Da war selbst ich als Raucherin bedient … Ich hab’ dann auf
meine Zigarette verzichtet und mich tatsächlich ziemlich ernsthaft gefragt, ob
das wohl alle sinnvoll ist mit dem Gerauche …
Flug war dann ziemlich turbulent, dafür aber sogar mit
lecker Essen! Kingfisher ist eine low cost airline, bei der man für alle Extras
zahlt, also auch für’s Essen. Ich hatte für den knapp 2 Stunden dauernden Flug
natürlich nichts zu essen bestellt. Trotzdem stand dann irgendwann die
Stewardess vor uns und hielt uns eine Schale mit Food hin. „For you!“ – „Not
for me. I didn’t order
something!“ „For you! Be sure! You birthday!”. Da war ich nach der
unfreundlichen “Lighter! Find!“-Tante ja nach kürzester Zeit wieder voll in
meinem freundlichen und überraschenden Indien angekommen …
Ich hatte gestern Abend noch ein kleines (80 Betten) Hotel
für uns in Mumbai online gebucht. Und das war auch gut so :),
dadurch waren wir nicht ganz so lost. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es
gewesen wäre, wenn wir uns wie sonst meistens ja auch nach Ankunft in Mumbai
erst einmal auf die Suche nach einem Hotel machen. Mumbai hat ja nur 18
Millionen Einwohner und auch nur knapp 4.200 Quadratkilometer Fläche …
Wir kamen nachmittags am Flughafen an, vielleicht herrschte
schon Rushhour. Ich vermute allerdings, dass Mumbai immer so voll ist. Dagegen
war Mysore Heidmoor! So viele Menschen, so viele Autos, so viele
Wellblechhütten, so viele Mopeds. Ich hatte das erste Mal in Indien
richtiggehend „Respekt“. Die Fenster im Taxi blieben zu, die
Türverriegelungsknöpfe wurden bereits am Flughafen von unserem leider ziemlich
unfreundlichen Taxifahrer runtergedrückt und er gab uns auch ziemlich barsch zu
verstehen, dass dieses bitte während der Fahrt so bleibt. Nachdem ich ja
nun die Sicherheitsfrau schon vom Ton überlebt hatte, hat mich dieser männliche
Ton auch nicht mehr groß gestört. Was sollte ich auch tun? Wieder aussteigen
und mich erneut in die Schlange stellen?
Ich wurde mit dem Menschen nicht so richtig warm, Hannah
ebenfalls nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass er kein Wort Englisch
sprach, nicht mal „First time India? You like India?“
Bis zu unserem Hotel brauchten wir über 2 Stunden. “Safe” im Auto
guckten wir uns die Stadt von drinnen an und waren ziemlich fertig, als wir
endlich im Chateau Windsor Hotel im Fort-Viertel ankamen. Fertig vom Flug, vom
Abschied nehmen, vom Feuerzeug suchen, vom Lärm und Getöse und einfach von
allem.
Insofern haben wir erst einmal ein wenig gechillt. Unser
Hotelchen hat sogar eine kleine Dachterrasse, von der wir, wenn wir uns ganz
weit über das Geländer beugen, das Meer sehen können. Oben stehen ein paar
wenige Stühle, ansonsten hockt man sich einfach auf die Mauer und guckt von
dort aus auf die Straße. Die Leute sind wieder einmal entzückendst und das
Zimmer wirklich groß und sogar mit einem Fernseher. Tee und ein kleiner Snack
wurde uns auch gleich serviert! Hannah hat sich platt wie sie war nach dem Chai
erst einmal auf’s Bett geschmissen und eine Folge „Full House“ geglotzt. Zwar
auf indisch, aber das war egal :).
Inzwischen ist es dunkel. Wir werden uns gleich noch mal auf
den Weg nach Colaba ins „Touriviertel“ machen und irgendwo was essen gehen.
Eigentlich wollten wir ja heute an meinem Geburtstag definitiv noch ins Kino
und einen Bollywood-Film sehen, aber das wird mit Sicherheit nichts mehr.
Außer, er fängt jetzt gleich um 19:00 Uhr an …
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