Abenddämmerung
in Cochin - wir sitzen in unserem Homestay „Reds Residency“ bei Philipp und Maryann
und haben einen tollen ersten Tag in Indien hinter uns. Aber fangen wir mal von
vorne an … :
Am
Hamburger Flughafen bekamen wir erst einmal einen kleinen Schreck (oder einen
doofen Zöllner?)
„Wo
wollen Sie hin?"
„Nach
Indien“! – Ich strahle, Hannah grinst!
„Ist
das Ihre Tochter?“
„Ja!
Ist sie nicht hübsch?“ Das ist ja schon mein Standardspruch, wenn mich jemand
fragt, ob Hannah meine Tochter ist. Ich war gut drauf und hab mich halt total
gefreut. Kam aber wohl nicht so gut an ;(.
„Wo
ist der Vater ihrer Tochter?“
„Zu
Hause!“
„Warum
reist er nicht mit Ihnen?“
Die
Schlange hinter uns wurde inzwischen länger und länger. ICH weiß ich, wie
genervt ich von solchen Situationen auf Reisen bin.
Zum
Antworten kam ich nicht so recht.
„Weiß
der Vater, dass Sie mit dem Kind nach Indien reisen wollen? Ist er darüber
informiert?“
„Natürlich!“
Forschender
Blick eines deutschen Beamten mit großer Mütze auf dem Kopf. „Sind sie sich da
ganz sicher?“
Ich fing inzwischen an zu schwitzen, Hannah sagte gar nichts mehr.
„Klar!
Wir können ihn gerne anrufen!“
Thies
allerdings war wohl anderweitig beschäftigt und ging nicht ans Handy. Anscheinend
reichte es aber schon, dass ich überhaupt einen männlichen Bewohner dieses Planeten angerufen habe. Er wollte weder die Nummer überprüfen noch den Namen und die Anschrift von Thies haben. Nach einer ausführlichen
Belehrung, dass ich zukünftig bitte nicht mehr ohne Einverständniserklärung des
„Kindsvaters“ (seine Worte, nicht meine!) mit Hannah verreise, durften wir
schließlich durch die Passkontrolle.
Seh
ich aus, als würde ich mein Kind entführen? Sah das Kind aus, als wolle
sie nicht mit mir nach Indien fliegen? Egal – wahrscheinlich gibt es einfach viel
zu viele durchgeknallte Leute auf dieser Welt, die genau das machen. Insofern
ist es ja schon wieder gut, wenn die Herren Beamten darauf aufpassen … Aber
sowohl Hannah als auch ich waren heilfroh, als wir endlich im Boardingbereich
waren.
Emirates
war kein Vergleich zu Turkish Airlines letztes Jahr nach Bali, die ja angeblich
soooo einen guten Ruf haben. Jede Menge Amüsement und Bordprogramm (ich war
schier überfordert) und vor allen Dingen jede Menge Platz. Meine Füße sind nur
minimalst geschwollen ;).
In
Dubai mussten wir dann leider runter und 3,5 Stunden Zwischenaufenthalt hinter uns
bringen. Steh ich ja bekanntlich nicht so drauf, vor allen Dingen nicht, wenn
ich müde bin und es sich um einen mehr oder weniger mehr „sterilen“ Flughafen
mit Designer-Bars, Schicki-Micki-Fischrestaurants, Golfshops und Ferrari-Marketingsachen
handelt. Hannah und ich haben uns die Zeit dann schließlich in einer Cafebar
mit „Scheich gucken“ und „verschleierte Frauen ansehen“ vertrieben.
Der
Flieger nach Cochin später war dann zur Hälfte leer. Wir saßen kaum, da haben
wir auch schon gepennt. Dank des freien Sitzplatzes in der Mitte hatten wir
auch ausreichend Platz …
Heute
Morgen um kurz vor 9.00 Uhr dann Landeanflug auf Cochin. Schon von oben war zu
sehen, dass es hier richtig tropisch ist. Und mit richtig tropisch meine ich richtig tropisch. Kokospalmen
über Kokospalmen und viel Grün. Ich hatte eher mit bedecktem Himmel und etwas
Regen gerechnet und nicht mit sich wiegenden Kokospalmen, einem Strand und
strahlendem Sonnenschein. Schließlich ist der Oktober ja der Hauptmonat des Monsuns in Kerala (was lt.
Maryann übrigens übersetzt „Coconuttree“ heißt – nun weiß ich auch, wieso!). Maryann
erzählte uns außerdem, dass der Monsun dieses Jahr mehr oder weniger komplett
ausgefallen ist. Normalerweise geht es hier im August mit Dauerregen los,
dauert den September und Oktober an und hört irgendwann schließlich Mitte
November auf. Dieses Jahr gab’s 2 Wochen leichten Regen (ohne Gewitter und ohne
großen Sturm) Mitte August und das war es.
Nun
sieht es hier ja aber dank der hohen Luftfeuchtigkeit wahrlich nicht vertrocknet
aus, insofern ist mir und Hannah das nur recht.
Die
Einreise nach Indien gestaltete sich – ähnlich wie die Ausreise aus Hamburg - auch
etwas schwierig. Daran hatten aber indische Zöllner keine Schuld. Ich war
einfach zu verpeilt und zu müde und habe nicht mitbekommen, dass wir ein
Einreiseformular ausfüllen müssen. Natürlich nicht! Ich war ja auch überhaupt
noch nie in Asien unterwegs J Was mich da geritten hat, weiß ich auch
nicht. Ich bin schnurstracks hinter den Indern hinter her gelatscht, die mit
uns im Flieger saßen und habe mir überhaupt gar keine Gedanken gemacht. Als ich
dann schlussendlich von einem indischen Grenzbeamten angesprochen wurde, der
unsere ausgefüllten Formulare sehen wolle, fiel dann auch mir auf, dass ich was
vergessen hatte. Ich wurde daraufhin etwas hektisch und das Resultat war, dass
ich die Teile gleich 3 x ausfüllen durfte, weil ich unsere Daten teilweise
verwechselt habe etc. Außerdem hatte ich Hunger :). Und dann bin ich sowieso etwas schwierig …
Danach
lief dann aber alles glatt. Unser Fahrer vom Guesthouse stand mit Namensschild
vor der Tür und ab ging es nach Fort Cochin. 45 km und 1,5 Stunden Fahrt – auf
einer gut ausgebauten Straße wohlgemerkt. Uns war das schnuppe, wir hatten Zeit
zum Gucken und haben gewettet, wer wohl die erste freilaufende heilige Kuh auf
der Straße sieht. Gewonnen habe ich – obwohl das Vieh dann doch eher angeleint
als freilaufend war. War wohl doch keine heilige Kuh …
Im
Guesthouse sind wir die einzigen Gäste. Maryann und Philip haben sowieso nur 4
Zimmer, aber während der Regenzeit ist kaum ein Tourist hier. So haben wir also
wirklich indisches Familienleben pur. Wir können den Kühlschrank nutzen, haben
uns das Zimmer mit Balkon ausgesucht und schreiben jetzt darauf sitzend beide
mit Blick auf die abendliche Straße unsere Eindrücke nieder. Nebenbei kämpfen wir
trotz Mückenschutz und langen Klamotten mit vielen vielen und noch mehr Moskitos
– das ist wohl der Nachteil an Kerala und den Sumpfgebieten hier in dieser Ecke.
Der
Großvater von Maryann wohnt nebenan und hat heute 95. Geburtstag, darüber wurden
wir auch sofort informiert. „If you want, you can come.“ Das Haus steht uns
quasi offen, wir können alles nutzen und anfassen und benutzen und selbst der
PC ist zum Interneten und Skypen nutzen nicht tabu, weil das W-Lan oft
abbricht.
Nach
unserer Ankunft gab es erst einmal einen Chai und jede Menge Tipps zum Erkunden
der Stadt. Irgendwann sind dann losgelaufen, hier mal hin, da mal hin und
hatten einen wirklich tollen ersten Nachmittag.
Hannah meinte eben zu mir: „Ich
habe das Gefühl, ich bin schon viel länger hier!“
Wir
wurden nach kurzem Spaziergang von „unserem“ Nachbarn Rafi aufgegabelt, der uns
umsonst mit seinem Tuk Tuk in den
Ortskern (ca. 1,5 km entfernt) gefahren hat. Am Sportplatz haben wir den Kindern
beim Kricket zugeschaut
und
sind schließlich zu den Chinesischen Fischernetzen gelaufen.
Meines
Erachtens sind diese vollkommen überbewertet (DAS Highlight in Cochin laut
diversen Reiseführern!), wir gucken uns das aber morgen noch mal an – vielleicht
war ja gerade Ebbe oder so. Danach sind wir noch ein wenig an der „Promenade“
(was man in Indien so Promenade nennt) lang gelaufen. Da irgendwie keine Touris
hier sind, obwohl es Cochin sozusagen der „Hotspot“ der Touristen in
Kerala sein soll, fielen wir natürlich auf und wurden andauernd angequatscht.
„First time in India? You like India?“ „YES, we like :)!“
3
Minuten später mussten wir für diverse Fotos mit diversen Indern posten und
wahrscheinlich gehen diese Fotos bereits heute Abend via Facebook um die Welt. Die
Inder hatten Spaß („You have big body!“), Hannah und ich hatten aber auch 'ne Menge Spaß :).
Später
haben wir noch eine Reggae-Bar entdeckt, die zudem noch „Bob Marley Bar“ hieß.
Meine Tochter war einem Kreisch-Alarm nahe und es war klar, dass wir dort dringend
was trinken mussten. Hannah hat mit dem Barbesitzer geplauscht und war
begeistert von den ganzen Katzen und Hundewelpen, die dort rumliefen und lagen.
Ich war begeistert von meiner entzückenden Tochter …
Irgendwann
danach landeten wir in einem Friseur“salon“ und haben unsere Füße hübsch machen
lassen. 280 Rupien incl. ½ Stunde Fußmassage. Dabei bin ich fast eingeschlafen,
so dass es Not tat, zu Abend zu essen. Wir waren in der „Oy-Bar“. Für Hannah
gab‘s vegetarische Gemüsenudeln, für mich ein Kartoffel-Blumenkohl-Curry und
zurück haben wir uns dann ein Tuk Tuk für 20 Rupien gegönnt.
Nun
kämpfen wir mit den Mördermoskitos (trotz angeblichem Super-Moskito-Schutz von
Thomas, das wir eigentlich damals für Nigeria gekauft haben) und Hannah hat jetzt
auch gerade aufgegeben und ist nach drinnen geflüchtet. Ich denke, es wäre
klug, wenn ich das ebenfalls tun würde, mag mich aber noch nicht von dem Lärm
und dem Straßenleben vor meinem Balkon trennen. Die Inder denken wahrscheinlich,
ich habe einen Knall, wie ich hier um mich schlage und nebenbei versuche zu
schreiben.
Was
gibt es sonst noch zu sagen? Die Schmetterlinge sind hier groß wie Spatzen, die
Bienen sehen auch etwas mutiert aus und von dem oberen Balkon über mir fallen
andauernd Blütenblätter auf mich runter. Hat ein bisschen was von Hochzeit
machen und Blumen streuen :).
Ansonsten
ist Kerala wahrscheinlich wirklich genau richtig als „Indien light“. Ich habe
noch keine Bettler gesehen. Viele Leute haben mich vor ihnen „gewarnt“ („Du
wirst es kaum ertragen, wenn sie hinter dir her kriechen und dich anbetteln“).
Es gab kein Angemache oder ins Geschäft ziehen (gut, heute ist hier auch Streik
– lt. Maryann passiert das ungefähr einmal die Woche) und alle Leute sind
unwahrscheinlich freundlich und hilfsbereit. „What street are
you looking for? Can I help you?“. Liegt
sicherlich daran, dass Kerala der Bundesstaat mit der höchsten Bildung und
besten Schulausbildung in Indien ist. Philipp sagte mir, dass es nur ein
Stückchen weiter nach Norden schon ganz anders aussieht, von Bombay und Delhi,
Kalkutta etc. ganz zu schweigen …
Ich
geb mich jetzt den Moskitos geschlagen und pack mich hin. Vielleicht schaffe
ich es ja noch, 3 Seiten zu lesen, bis mir die Augen zufallen …
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